Der historische Festumzug 2008-

oder eine Gebrauchsanweisung wie man ein Großvorhaben realisiert

In 25 Jahren, im Jahre 2033 steht der kleinen Stadt am Klempowsee wieder ein Jubiläum ins Haus, und zwar ein rundes, denn dann sind wieder Enthusiasten gefragt welche die Feierlichkeiten organisieren um die 800-Jahrfeier abermals zu einem Höhepunkt der Stadtgeschichte werden zu lassen. Doch bis dahin sind noch knapp 25 Jahre Zeit, schauen wir erst einmal auf den vergangen Festumzug und dessen Organisation zurück.

Als in der zweiten Hälfte des Jahres 2006 die verschiedenen Arbeitsgruppen zur Realisierung des 775-jährigen Stadtjubiläums gebildet wurden war es noch nicht abzusehen welch große organisatorische Aufgabe auf die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und die ehrenamtlich engagierten Bürger Wusterhausens zukommt. Vor allem wenn man den Gesichtspunkt betrachtet das die kommende Jahrfeier im Jahre 2008 erstmalig zu einem Zeitpunkt stattfindet an dem Deutschland wiedervereinigt war und völlig frei von einer politischen Diktatur. Um so schwerer war es für die Organisatoren freiwillige Helfer aus allen Bevölkerungsschichten, Vereinen und Organisationen zu finden, welche sich für die Gestaltung des historischen Festumzuges ins Zeug legen. Einige engagierte Bürger trafen sich im Büro von Franz-Josef Focke um nach Wegen zu suchen, wie man ein würdiges Stadtjubiläum gestaltet und organisiert. Wegbereiter der ersten Stunde waren Rudi Friese, Herbert Müller, Ulla Mehls und Marlies Lembcke, welche als Teilzeitkraft bei der Stadtverwaltung angestellt war um den Umzug zu koordinieren. Es wurden im Flur des Rathauses Schilder mit den geplanten Schaubildern, sowie einem Apell an die Bevölkerung angebracht in dem die Leute aufgerufen wurden sich in den Schaubildvorschlägen zur Teilnahme einzutragen. All dies zeigte trotz Zeitungsaufruf in der MAZ kaum Wirkung und Resonanz. Inzwischen stellte die Stadtverwaltung MAE-Kräfte ein, welche im Bauhof damit beschäftigt waren Kostüme zu nähen, Schilder zu malen und Requisiten zu bauen. Nur leider fanden sich noch keine Akteure welche die angefertigten Arbeiten am „Tag-X“ zur Schau stellen. Franz-Josef Focke entschied sich dafür die historische Ratsherrensitzung und das Drachenbootrennen zu managen, welches ihm beispiellos gelang und zog sich leider aus dem Organisationsteam zurück. Also musste der „Masterplan“ her! Wie bekommt man die Leute aus der Großgemeinde Wusterhausen dazu, aktiv die einzelnen Schaubilder zu gestalten und mit zu wirken? Also trafen sich Kulturamtsleiterin Hannelore Rose, Ordnungsamtsleiter Hartmut Janschke und Marco Schimpke im Rathaus zu einer Lagebesprechung. Sie beschlossen Kontakt zur Arbeitsförderungsgesellschaft EAN in Neuruppin aufzunehmen, welche schon den Neuruppiner Festumzug im Jahre 2006 ausstattete und um auch von deren Erfahrungen zu profitieren. Nach ersten Vorgesprächen mit Frau Goldschmidt von der EAN wurden dann Nägel mit Köpfen gemacht. Bei der EAN wurden zur Vorbereitung des großen Festes weitere Beschäftigungsmaßnahmen für den Requisitenbau und zur Kostümanfertigung eingestellt. Hans Elgert aus Neustadt/Dosse kam dann Anfang 2008 als Koordinator für den Festumzug und die historische Ratsherrensitzung mit in das Organisationsteam. Weiterhin beschloss man interessierte Bürger zu einer Einwohnerversammlung am 9.11.2007 in den Stadtsaal einzuladen. Es wurden zur Motivation erste angefertigte Schilder und Requisiten ausgestellt. Anhand des von Gerhard Fenske geschriebenen Drehbuches stellten Marco Schimpke und Hartmut Janschke Beispielschaubilder vor und versuchten die circa 80 Anwesenden zu überzeugen und zu motivieren. Die erste Saat fing an Früchte zu tragen und viele der zahlreich erschienen Bürger brachten Vorschläge wie sie sich im Festumzug einbringen könnten. Ab da ging es Berg auf. Das Wahnsinnsunterfangen „Festumzug“ gewann mehr und mehr an Eigendynamik und immer mehr Leute meldeten sich beim Organisationsteam mit ihren Wünschen, Vorschlägen und Ideen. Wöchentlich traf sich das noch sehr kleine Organisationsteam im Rathaus mit interessierten Bürgern um die Realisierung und Gestaltung des jeweiligen Schaubildes zu besprechen und abzustimmen. Marco Schimpke und Hans Elgert kontaktierten Vereine, Betriebe, Privatpersonen und Organisationen damit der Festumzug auch wirklich ein historisches Antlitz bekommt, denn die Zeit bis zum „Tag-X“ wurde immer kürzer. Man setzte sich den 31. März 2008 zum Stichtag an dem alle realisierbaren Schaubilder feststehen sollten. Nach dem besagten Stichtag resümierten die Organisatoren sage und schreibe über 70 Schaubilder und man machte sich berechtigte Sorgen darüber wer denn noch als Zuschauer am Straßenrand stehen wird wenn so viele Menschen der Großgemeinde am Festumzug beteiligt sind? Nun ging es ins Detail. Wie ordnet man nun chronologisch die einzelnen Szenarien, wer schreibt Moderationstexte und moderiert, durch welche Straßen verläuft der Zug, wie lang werden die Schaubilder und wo stellt man sich auf? All diese Fragen waren noch zu klären und die Zeit drängte!

Arbeitsgrundlage war der Ablaufplan des am 9.Januar 2008 verstorbenen Ortschronisten Gerhard Fenske, am 11.12.2007 besprach Marco Schimpke noch geschichtliche Details mit dem schon von schwerer Krankheit gezeichneten Stadthistoriker und bekam noch wichtige Hintergrundinformationen, leider war es Gerhard Fenske nicht mehr vergönnt das Stadtjubiläum zu erleben. Im April 2008 bekam dann das bislang noch kleine Organisationsteam tatkräftige Unterstützung durch Axel Herrmann und Frank Staat, welche den Umzug von zwei Moderationspunkten beschreiben sollten. Sie waren eine willkommene Verstärkung, denn mit der immer kürzer werdenden Zeit war die Vielzahl der noch anstehenden Aufgaben für das dreiköpfige Organisationsteam nicht mehr zu schultern. Man begann mehrfach die Reihenfolge und Abläufe festzulegen und ebenso oft wieder zu verwerfen. Schrieb und diskutierte Moderationstexte. Saß bis spät in den Abend. Heiß diskutiert wurde der Verlauf des Zuges durch die Stadt. Aufgrund der DVD-Produktion sollte das Rathaus mit der Stadtkirche die Hintergrundkulisse für den Jubiläumsfilm werden. Da der Stand der Sonne aber ab 13 Uhr für Filmaufnahmen ungünstig war musste der geplante Verlauf komplett geändert werden. Dabei wäre dann aber der Festumzug nicht mehr durch die Kyritzer- und Kommandantenstraße gekommen, sondern wäre durch die Domstraße in Richtung Marktplatz gezogen. Man behielt aber dann den favorisierten ursprünglichen Verlauf zu Gunsten der „live“-Zuschauer bei und drehte die Filmaufnahmen vor historischer Kulisse in der Kyritzer Strasse.

Im folgenden ein paar wichtige Fragen und Antworten welche es noch galt im Vorfeld zu klären: Wo platziert man die Kapellen? Natürlich nicht in der Nähe von Pferden! Ab wann und wo stellt man sich auf? Natürlich zuerst die schwere Technik ab 11 Uhr in der Seestraße. Woran erkennen die Moderatoren und das Publikum welches Schaubild gerade vorüberzieht? Natürlich an der sichtbar angebrachten Schaubildnummer! Woher wissen die Teilnehmer an welcher Position sie sich in der Seestraße zu formieren haben? In dem sie vorher Ihre Schaubildlänge angegeben haben, einen Aufstellplan erhielten und Marco Schimpke sonntagfrüh um 6 mit Markierungsspray und Rollmaß auf 1300 Metern Seestrasse die Aufstellflächen für die jeweiligen Schaubilder abgemessen und aufgezeichnet hat! Was macht man mit den „Äpfeln“ von über 60 Pferden? Von nachfolgenden Festumzugteilnehmern breittreten lassen! Wer gibt das Kommando zum Loslaufen der Teilnehmer und wie groß sollten die Abstände sein? Natürlich gibt der Ordnungsamtsleiter das Kommando und achtet darauf das die einzelnen Bilder einen Mindestabstand von 10-15m einhalten! Wer weist vor Ort die Teilnehmer kurz ein und verteilt Essen und Getränkemarken? Die hilfreichen Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung! Was geschieht wenn der Zug anhält und ins Stocken gerät? Jeder Teilnehmer bleibt sofort stehen und hält den Abstand zum Vordermann zwingend ein!(Ziehharmonikaeffekt)

All diese Fragen und Antworten standen bis zum Freitag, den 30.5.2008 fest als man sich zur letzten großen Informationsveranstaltung im bis auf den letzten Platz gefüllten Stadtsaal traf. Die Organisatoren hofften das alle Fragen ausreichend Klärung und Beachtung fanden, denn niemand von Ihnen hatte jemals einen Festumzug mit fast 75 Bildern in Form gebracht. Letzte Absprachen wurden getätigt, Fragen geklärt, Kostüme ausgegeben und der Ablauf besprochen. Die Aufregung und Spannung wurde nun von Tag zu Tag größer. Wird alles so über die Bühne bzw. durch die Straßen gehen wie geplant? Ist alles bedacht worden? Viel verändern konnte man nun nicht mehr.

Am Sonntag den 8. Juni 2008 war es dann endlich so weit. Pünktlich um 9.00 Uhr wurden die Einwohner durch Böllerschüsse aus einer historischen Kanone geweckt, um rechtzeitig am ökumenischen Festgottesdienst auf der Hauptbühne vor dem Rathaus teilzunehmen.

Ab 11 Uhr zogen unzählige geschmückte Festwagen, Kutschen, Pferde, Reiter und Darsteller in Richtung Seestraße, um sich für den historischen Festumzug mit seinen fast 75 Schaubildern aufzustellen. Das Ergebnis von 1,5 Jahren Arbeit präsentierte sich dann am Sonntag ab 13 Uhr als der Startschuss zur großen historischen Parade fiel. Über 1400 Mitwirkende und 60 Pferde machten sich in 75 Schaubildern und einer Gesamtlänge von 2 Kilometern auf den Weg durch die von unzähligen Zuschauern gesäumten Straßen der Stadt.

In geschichtlich chronologischer Reihenfolge präsentierten sich dann die Schaubilder, mit der Steinzeit beginnend, gefolgt von einer frühdeutschen Burg. Das Schaubild der Stadtgründung wurde angeführt vom Stadtwappen, welches durch die Floristen der Stadt aus über 800 roten und weißen Nelken angefertigt wurde und der Ehrenkutsche besetzt mit Gärtner Rudi Lehmann, dem Ofenbaumeister Bruno Quast und der ehemaligen Inhaberin des Hotels „zum Deutschen Haus“ Elisabeth Laue, welche das Stadtjubiläum zum vierten mal erlebten. Gefolgt von den Stadtgründern den Edlen von Plotho zu Pferd und dem Bürgermeister Ralf Reinhardt mit den Darstellern der historischen Ratssitzung. Es folgten viele weitere bunte Szenarien der Stadtgeschichte, als auch aus der Gegenwart. An zwei Moderationspunkten wurden die einzelnen Bilder durch Axel Herrmann in der Kyritzer Strasse und Frank Staat auf der Hauptbühne vor dem Rathaus beschrieben. Unternehmen, Vereine, Kirche, Schule, Feuerwehr, Bibliothek, Privatpersonen und Freundeskreise aus der Stadt und den umliegenden Dörfern der Großgemeinde gestalteten liebevoll und perfekt die einzelnen Schaubilder und machten diesen Festumzug zu einem der schönsten und längsten in der Stadtgeschichte.

Bei bestem Sommerwetter fand die Abschlussveranstaltung auf dem Markt statt und nie zuvor sah man so viele zufriedene und glückliche Menschen wie an diesem Wochenende. Noch eine Woche nach den Feierlichkeiten erinnerte das Blumenwappen vor dem Rathaus an ein tolles, rundes und gelungenes Festwochenende der Superlative im Sommer 2008, welches wohl jedem in schöner Erinnerung bleibt und als positiver Meilenstein in der Stadtchronik einen würdigen Platz einnehmen wird. Als wirklich positiver Nebeneffekt wäre noch zu nennen, dass diese Jahrfeier viele Menschen zusammengebracht hat, welche sonst nie die Gelegenheit hatten miteinander zu reden und kennen zu lernen, denn alle zogen gegen Ende mehr und mehr am gleichen Strang, um gemeinsam das große Ziel: „Ein gelungenes Stadtjubiläum“ zu erreichen. Es bleibt zu wünschen und zu hoffen das der Zusammenhalt und der schöne Geist der 775-Jahrfeier bis zur 800-Jahrfeier bei allen Menschen der Großgemeinde und Stadt Wusterhausen/Dosse erhalten bleibt!

Marco Schimpke, Wusterhausen

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