Jede Zeit hat ihre Helden-
oder wie ein Bürgermeister und ein Schwedengeneral die Stadt Wusterhausen vor dem Ruin bewahrten!
Es kommen immer wieder bei der Erforschung der Wusterhausener Stadtgeschichte hochinteressante und fast in Vergessenheit geratene Episoden in unsere Gegenwart zurück, welche wirklich außergewöhnlich und erzählenswert sind. So wie die folgende Begebenheit, um die es schade wäre wenn sie in den Archiven verstauben würde. Obwohl sich diese für die weitere Stadtentwicklung bedeutsame Begebenheit bereits vor fast 250 Jahren ereignete, hat diese wahre Geschichte wenig Beachtung in den Publikationen diverser Chronisten gefunden und blieb somit der breiten Öffentlichkeit bislang im Verborgenen. Doch kommen wir nun zu diesem außergewöhnlichen Kapitel der Stadtgeschichte, welches bisher von vielen Menschen unbemerkt ein Schattendasein fristete. Dieser Bericht soll dazu beitragen, dass diese symphatische Episode nicht wieder in Vergessenheit gerät und vielleicht etwas dauerhafter in unserer Erinnerung bleibt.
In der “Beschreibung seiner Reise” von Berlin nach Kyritz, vom 26.September bis 2.Oktober 1779, widmet der für die damalige Zeit bekannte Theologe und Geograph Anton Friedrich Büsching (1724-1793) einen umfangreichen Teil seines Reiseberichtes dem Kreis Ruppin und der dazu gehörigen Stadt Wusterhausen/Dosse. Darin werden bereits bekannte, - als auch vielen Bürgern unbekannte Fakten der Stadthistorie erwähnt. Aufgrund der verwandtschaftlichen Verhältnisse seiner Frau pflegte A.F. Büsching den Kontakt zu Luise Schönermark, der Tochter des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt namens Caspar Schönermark. Er bat die damals schon betagte Dame, welche sich 1780 in Hamburg aufhielt, ihre Erinnerungen und Berichte aus der Zeit vor und nach dem letzten großen Stadtbrand von 1758 zu Papier zu bringen. Am 18. Januar 1780 schreibt sie ihre Gedanken an die Zeit in der Dossestadt auf und schickt sie an den Autor zur Vervollständigung seines Berichtes. Luise Schönermark war in den Augen Büschings eine hoch geachtete Dame. Er schreibt: ”…ich lasse eine Beschreibung der Umstände folgen, welche ein vortrefflicher weiblicher Kopf gemacht hat. Ich rede von der tugendhaften, aufgeklärten und selbst zu männlichen Geschäften sehr brauchbaren Jungfrau, Luise Schönermark, Tochter des seligen Herrn Caspar Schönermark, dirigierenden Bürgermeisters zu Wusterhausen, welcher dieser Stadt, ihrer Familie und Verwandten ….wahre Ehre macht”! Büsching kommentierte: “Sie schrieb was ihr Gedächtnis und ihr Verstand ihr in die Feder sagten. Hier ist es.”
Einleitend beschreibt sie in ihren Ausführungen die Stadt und ihre Bürger mit den folgenden, lobenden Worten:” …Die Gegenden um die Stadt werden noch angenehmer werden als sie schon sind, wenn erst die Alleen stark geworden sind die mein Bruder hat anlegen lassen. Die Luft ist sehr gesund, der Acker ist fruchtbar, die Weiden und Wiesen sind sehr gut, daher ist auch der Ackerbau und die Viehzucht einträglich. In keiner kleinen Stadt habe ich bisher so viel Religion, gesittetes Wesen, tätige Menschenliebe und Freundschaft als in Wusterhausen gesehen. Der größte Teil der Einwohner scheint eine Familie zu sein”!
Dann bezieht sich die Briefschreiberin auf ihre Erinnerungen und die Zeit nach dem großen Stadtbrand vom 13.April des Jahres 1758.
Diese Katastrophe wurde durch die Unachtsamkeit des Ackerbürgers Michel Hilgendorff ausgelöst, dessen Torfglut von der Tabakspfeife in seiner Scheune auf das trockene Stroh fiel. Starker Wind entfachte das über die Stadt rollende Inferno. 169 Häuser, sowie das alte Rathaus mit dem wertvollen Stadtarchiv wurden ein Raub der Flammen, doch damit nicht genug!
Es tobte zu diesem Zeitpunkt der siebenjährige Krieg von 1756-1763.
Gerade als die wackeren Bürger dabei waren, die fast vollkommen zerstörte Stadt wieder aus der Asche erstehen zu lassen, fielen schwedische Truppen auf ihrem Weg nach Neuruppin in das schon arg gebeutelte Wusterhausen ein, um die so genannte “Kontribution” zu kassieren. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Herausgabe von Bargeld aus der Stadtkasse an feindliche Truppen unter Androhung bzw. Durchführung von Plünderungen und Brandschatzungen. Als aber der Oberbefehlshaber General Graf Hamilton das Elend in dem abgebrannten Städtchen sah: “...ließ er es nicht zu das seine Truppen diesen traurigen Ort berührten, hingegen ließen sie meinen Vater nach Neuruppin kommen, nahmen ihn als Menschenfreund auf und sagten zu ihm und seinem Begleiter, dem Stadtkämmerer Werkenthin, dass sie nichts von der armen abgebrannten Stadt verlangen als Brot, welches sie bar bezahlen wollen. Was sie dann auch wirklich taten”, so Luise Schönermark. Da die schwedischen Besatzungstruppen Mitleid mit dem abgebrannten Städtchen und deren Bürger hatten, welche gerade so ihr nacktes Leben retten konnten, erließ man dem gesamten Landkreis Ruppin die 10000 Taler der verlangten Kontribution. Nach Beendigung des Krieges forderten die Neuruppiner Ratsherren das die Stadt Wusterhausen den Teil der erlassenen Kontribution zurückzahlen muss. Es kam zu einem langwierigen Rechtsstreit und Wusterhausen verlor den Prozess mit der Begründung: ”…weil der Feind zur Zeit des Einfalls in die Stadt ein solches Geschenk nicht habe machen können”. Daraufhin wandte sich Bürgermeister Schönermark an Graf Hamilton in Schweden, welcher ihm schriftlich beglaubigte das er der Stadt aufgrund des verheerenden Brandes die Zahlung der Kontribution erlassen hat. Auch der von Graf Hamilton ausgestellte Nachweis zeigte in Neuruppin keinerlei Wirkung und man verlangte unnachgiebig 3333 Taler und 8 Groschen. Um die mehr als schlecht bestellten Finanzen der Stadtkasse doch noch retten zu können und die Stadt vor dem Ruin zu bewahren, schilderte der rührige Bürgermeister Schönermark keinem geringeren als seiner Majestät dem König Friedrich II. bzw. dem “Alten Fritz” die quälenden Sorgen seiner Stadt und deren Einwohner. „Friedrich der Große“ machte seinem Beinamen alle Ehre und erließ der Stadt daraufhin sämtliche Verbindlichkeiten. Somit war eine große Last von den Einwohnern genommen und der Wiederaufbau der Stadt war finanziell wesentlich besser abgesichert. Wusterhausen entwickelte sich von Jahr zu Jahr weiter. Im Jahre 1778 zählte die Stadt 1640 Einwohner. Im darauf folgenden Jahr erhöhte sich die Zahl auf 1669. Es ging wieder Berg auf! Den größten Anteil daran hatten sicherlich die tapferen Wusterhausener Bürger, allen voran ihr ehrenwerter Bürgermeister Caspar Schönermark. Ihrem Fleiß, dem Mut und dem ungebrochenen Optimismus sei Dank. Einen ganz entscheidenden Beitrag zum wiedererstehen der Stadt leistete aber auch der schwedische Feldherr General Graf Hamilton, der durch seine Menschlichkeit und Zivilcourage die Stadt und deren Bürger vor einer weiteren Katastrophe bewahrte. Nicht zu vergessen der Preußenkönig Friedrich II. , welcher letztendlich den Neuruppinern das Geld schickte und somit einen endgültigen Schlussstrich unter die Angelegenheit zog. Durch die Uneigennützigkeit einzelner Zeitgenossen wurde vor rund 250 Jahren das Fortbestehen unserer kleinen Stadt am Klempowsee gesichert. Wir alle sollten darauf achten das die Namen dieser Helden in Zukunft etwas mehr in unser Bewusstsein rücken, sowie eine angemessene Würdigung in der künftigen Geschichtsschreibung finden, denn der freiwillige Einsatz für die Gemeinschaft, Menschlichkeit und Zivilcourage sind keine altmodischen Tugenden von vor 250 Jahren.
Diese Eigenschaften haben in der heutigen schwierigen (“Krisen-“)Zeit eine ganz besondere Bedeutung und sind genau aus diesem Grunde aktueller denn je!
Marco Schimpke
Quelle: D. Anton Friderich Büsching
“Beschreibung seiner Reise von Berlin nach Kyritz in der Prignitz” 1780