775 Jahre Wusterhausen/Dosse- das vierte Jubiläum der kleinen Stadt am Klempowsee
Am Wochenende vom 6.-8. Juni 2008 beging die Stadt und Großgemeinde mit ihren Einwohnern die 775-Jahrfeier und somit das vierte Jubiläum nach den Feiern von 1933, 1958 und 1983, jedoch erstmalig frei von jeder staatlichen Diktatur. Bekanntlich werfen solche Großereignisse ihre Schatten voraus. Die organisatorische Generalprobe fand schon am 19. und 20. Mai statt als die „Tour de Prignitz“ in der Dossestadt Station machte. Letztmalig präsentierte sich der Marktplatz in seiner alten baulichen Form den Einwohnern und Gästen, da die Sanierung des Marktplatzes nach den Feierlichkeiten beginnen sollte. Erfreulicherweise siegte das Team „Wusterhausen“ und konnte den Jackpot von 5000 € für die Gemeinde holen. Nach diesem Erfolg begann die Umgestaltung des Rathausvorplatzes zur großen Open-Air-Partylocation. Das Rasendreieck vor dem Rathaus wurde mit einer Schwarzdecke versehen und der Springbrunnen wurde beseitigt, um aus der Fläche eine große Tanzfläche zu gestalten. Schon am 30.Mai begann das „inoffizielle“ Vorprogramm zum bevorstehenden Festwochenende. Hunderte Bürger versammelten sich in der bis auf den letzten Platz gefüllten Stadtkirche St. Peter-und Paul um bei der Vorstellung der Stadtchronik dabei zu sein. Monate zuvor trug das Redaktionskollegium um Peter Pusch, sowie freie Autoren Geschichten, Bilder und Anekdoten über das vergangene Leben in der Stadt zusammen und schufen damit eines der bedeutendsten Werke der Stadtgeschichte nach Erscheinen der Altrichter-Chronik im Jahre 1888. In entsprechend würdigem Rahmen beging man die Veranstaltung und es war schon eine gespannte, freudige Stimmung in der Kirche zu verspüren, in Anbetracht des kommenden Großereignisses am nächsten Wochenende. Originell und phantasievoll schmückten die Bürger ihre Häuser und Fahnen mit dem Wusterhausener Wappen wurden zur begehrten Mangelware. Höfe wurden geöffnet und liebevoll gestaltete Sonderausstellungen wurden durch die Hofbesitzer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Schaufenster wurden künstlerisch und historisch dekoriert. Der Heimatmaler Klaus Hoferichter zeigte seine Werke im Hotel „Deutsches Haus“, im „Herbstschen Haus“ war eine Fotoausstellung mit Bildern vergangener Jahrfeiern von Jörg Wirsam zu sehen und Günter Kerfin organisierte eine Ausstellung historischer Landkarten. Am Freitag den 6.Juni war es dann endlich so weit. Vormittags fand das 1.Filmfest statt, welches Ronny Leßmann organisierte und Wusterhausen als Filmstadt würdigte. Im Kino wurde der in der Dossestadt gedrehte Film „Der Drache Daniel“ im Beisein des Regisseurs Hans Kratzert gezeigt. Mittelalterliche Ritter, Fahrensleute und Gestalten schlugen ihr Biwak auf dem Vorplatz der Kirche auf, eine große Bühne stand vor dem Rathaus, eine mit Blumen geschmückte Tanzfläche ersetzte die Grünfläche, das Organisationsteam um Hartmut Janschke hatte ganze Arbeit geleistet und pünktlich um 17 Uhr zog das Wusterhausener Original, der Ausrufer „Lupus Langner“ alias Martin Freuling mit seiner Glocke durch die Straßen der Stadt und gab bekannt das die Feierlichkeiten um 18 Uhr beginnen. Tausende Einwohner und Gäste versammelten sich vor dem Rathaus. Als Ehrengäste konnten unter anderem Sozialministerin Dagmar Ziegler und die Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann begrüßt werden. Zum Auftakt trug Helga Schimpke, verkleidet als Stadtschreiberin, ihre selbstverfasste Stadtballade vor. Danach folgten Grußreden des Bürgermeisters Ralf Reinhardt, sowie weiterer Offizieller und Würdenträger aus Politik und Wirtschaft. Die Partnerstadt Edewecht überbrachte als Geburtstagsgeschenk 2 Apfelbäumchen die nur paarweise wachsen und gedeihen. Den eigentlichen Höhepunkt des Freitags stellte aber die Uraufführung der historischen Ratsherrensitzung vor dem Rathaus dar. Wusterhausener Laienschauspieler studierten in ihrer Freizeit das Theaterstück nach einer Drehbuchvorlage von Burkhardt Mauer, unter der Regie von Peter Wohlfeil ein. Tosender Applaus war der Dank des Publikums an die Akteure und Macher für den Schwank mit historischem Hintergrund. Nach dem gelungenen Auftakt spielte die Band „Irish-Coffee“ zum Tanz auf, dabei zeigten die Line-Dance-Gruppen der Großgemeinde ihr Können. Um 23 Uhr zündete man ein Barockfeuerwerk, welches die historische Altstadt in hellstem Glanz und bunten Farben illuminierte. Hunderte Bürger feierten einen ausgelassenen Festauftakt vor dem Rathaus bis weit in die Nacht.
Der Samstag stand ganz im Zeichen des Sports und verschiedener historischer Veranstaltungen. Als Höhepunkt ist das durch Franz-Josef Focke organisierte Drachenbootrennen zu nennen, welches abermals tausende Besucher an das Ufer des Klempowsees am „Volksgarten“ lockte. Die einzelnen Rennen wurden durch Schüsse einer alten Schiffskanone gestartet. Der Böllerhall war noch bis an das Ufer des Kyritzer Untersees hörbar. Freunde historischer KFZ-Technik kamen bei der Oldtimerausstellung auf ihre Kosten. Nach Abschluss des Drachenbootrennens versammelten sich dunkle Gestalten aus der Zeit des Mittelalters am Ufer des Sees um der Hexe Ilse Möller den Prozess zu machen und ihrer Bestrafung durch den Tod auf dem Scheiterhaufen am Dosseufer zu zuführen. An der Dosse warteten schon der Henker und seine Knechte. Hunderte Schaulustige versammelten sich am Fluss, um das mittelalterliche Spektakel mitzuerleben. Im Bereich der historischen Altstadt auf der Schifffahrt konnten alte Handwerkskünste bewundert werden. In einem Dreschkasten wurde Stroh gedroschen, Pferde wurden beschlagen, Körbe geflochten, Butter und Seile gemacht. Schustermeister i.R. Alfons Zeh aus Kyritz zeigte als einer der Letzten seiner Zunft die handwerklichen Künste des Schuhmachergewerks, welches Wusterhausen einst zum Beinamen „Schusterhausen“ verhalf. Im Bereich der Kirche rasteten Grenadiere, Kürassiere und Soldaten mit ihren historischen Geschützen beim militärhistorischen Biwak und erinnerten an die Zeit als Wusterhausen noch Garnisionsstadt war. Nach dem Treffen der Chöre wurden die Sieger des Drachenbootrennens und der diversen anderen Sportturniere durch den Bürgermeister auf der Hauptbühne geehrt. Für ausgelassene Stimmung sorgte dann am Abend das Saxophon-Orchester „Sax`n-Anhalt“ und das „Sunny-Sound“-Orchester. Unbeschwert und fröhlich feierte Alt und Jung bis in die frühen Morgenstunden und es lag eine wohlig, zufriedene Stimmung über der Stadt, so wie sie bisher kaum erlebbar war, fast vergleichbar mit der Fußball WM im Jahre 2006.
Am Sonntag wurden die Einwohner pünktlich um 9.00 Uhr durch Böllerschüsse aus einer historischen Kanone geweckt, um rechtzeitig am ökumenischen Festgottesdienst auf der Hauptbühne vor dem Rathaus teilzunehmen.
Ab 11 Uhr zogen unzählige geschmückte Festwagen, Kutschen, Pferde, Reiter und Darsteller in Richtung Seestraße, um sich für den historischen Festumzug mit seinen fast 75 Schaubildern aufzustellen. Das Drehbuch bzw. den Fahrplan für den historischen Umzug erstellte der am 9.Januar 2008 verstorbene Ortschronist Gerhard Fenske. Die Arbeitsgemeinschaft um Hartmut Janschke mit Hans Elgert, Axel Herrmann, Marco Schimpke und Frank Staat traf sich wöchentlich um den Festumzug zu realisieren, zu koordinieren und in Form zu bringen. Es wurden Einwohnerversammlungen im „Stadtsaal“ abgehalten um die Menschen zu motivieren, Ideen aufzunehmen und organisatorische Fragen zu klären. Das Ergebnis von 1,5 Jahren Arbeit präsentierte sich dann am Sonntag ab 13 Uhr, als der Startschuss zur großen historischen Parade fiel. Über 1400 Mitwirkende und 60 Pferde machten sich in 75 Schaubildern und einer Gesamtlänge von 2 Kilometern auf den Weg durch die von unzähligen Zuschauern gesäumten Straßen der Stadt.
In geschichtlich chronologischer Reihenfolge präsentierten sich dann die Schaubilder, mit der Steinzeit beginnend, gefolgt von einer frühdeutschen Burg. Das Schaubild der Stadtgründung wurde angeführt vom Stadtwappen, welches durch die Floristen der Stadt aus über 800 roten und weißen Nelken angefertigt wurde und der Ehrenkutsche, besetzt mit Bürgern welche das Stadtjubiläum zum vierten mal erlebten, gefolgt von den Stadtgründern den Edlen von Plotho zu Pferd und dem Bürgermeister Ralf Reinhardt mit den Darstellern der historischen Ratssitzung. An zwei Moderationspunkten wurden die einzelnen Szenarien beschrieben. Unternehmen, Vereine, Kirche, Schule, Feuerwehr, Bibliothek, Privatpersonen und Freundeskreise aus der Stadt und den umliegenden Dörfern der Großgemeinde gestalteten liebevoll und perfekt die einzelnen Schaubilder und machten diesen Festumzug zu einem der schönsten und längsten in der Stadtgeschichte.
Bei bestem Sommerwetter fand die Abschlussveranstaltung auf dem Markt statt und nie zuvor sah man so viele zufriedene und glückliche Menschen wie an diesem Wochenende. Noch eine Woche nach den Feierlichkeiten erinnerte das Blumenwappen vor dem Rathaus an ein tolles, rundes und gelungenes Festwochenende der Superlative im Sommer 2008, welches wohl jedem in schöner Erinnerung bleibt und als positiver Meilenstein in der Stadtchronik einen würdigen Platz einnehmen wird.
Marco Schimpke, Wusterhausen