Das Haus Kyritzer Strasse Nr.6

Im Juli 2005 bekam dieses Baudenkmal, nach mehrjährigem Leerstand endlich einen neuen Besitzer. Bei diesem Haus handelt es sich um eines der ältesten Häuser der Stadt. Es ist im Jahre 1700 erbaut worden. Das nachweislich älteste Haus der Stadt steht links daneben. Hierbei handelt es sich um das Wohnhaus des Stellmachermeisters Rudolf Friese jun. und stammt aus dem Jahre 1687! Nur der Bauweise ist es zu verdanken, daß dieseHäuser den großen Stadtbränden standhalten konnten, denn sie sind nicht Giebel an Giebel erbaut worden. Auch damals machte man sich schon Gedanken über den Brandschutz, denn man hat zwischen den Häusergiebeln sogenannte "Brandgänge" angelegt, damit die Flammen bei einem Hausbrand nicht auf die Nachbarhäuser überschlagen können. Diese Häuser haben dadurch auch den letzten "großen Stadtbrand" vom 13. Aprildes Jahres 1758 überlebt, bei dem die Stadt zu zwei Dritteln ein Raub der Flammen wurde. 169 Häuser der Stadt wurden ein Opfer des Feuers, einschließlich des gotischen Rathauses mit dem wertvollen Stadtarchiv! Diese Häuser "kannten" noch den achteckigen, 70-Meter hohenKirchturm, welcher im Jahre 1764 durch Blitzschlag abbrannte!!! Sie waren und sind auf vielen Postkartenmotiven der Stadt abgebildet und prägen noch heute das ehemalige Erscheinungsbild unserer kleinen altehrwürdigen Stadt.

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Hier die Frontansicht des Hauses, deutlich sind die sogenannten "Brandgänge" erkennbar. Der rechte Gang war früher zur Straße hin offen und es

befand sich im rechten Giebel eine seperate Einganstür welche aber später zugemauert wurde. Vielleicht war es der "Dienstboteneingang"? Es wird aber auch sichtbar, daß das Haus kaum noch auf seinen alten Fundamentbalken steht (gemeint sind die horizontalen Balken auf Höhe des Gehweges) Diese Balken sind im Laufe der Jahre fast völlig durch die Witterung weggefault und müssten dringend erneuert werden, damit das Haus nicht weiter in Schieflage gerät.


Schade das dieses Tor nicht reden kann. Wer mag dort schon durchgeschritten sein? Durch Aufzeichnungen im Kirchenbuch, welches von 1578 bis 1718 durch die Pastoren der Stadt geführt wurde, konnten etliche Informationen zu den Eheleuten Samuel Fogtt (später Voigt) und Catarina Lans ermittelt werden. Auf Seite 399 der alten Schrift liest man unter der Rubrik "copuliert" (verheiratet), daß die beiden im Jahre 1699 geheiratet haben. Samuel Fogtt war von Beruf "Fleischhauer", also Fleischer. Darauf weisen auch die gekreuzten Schlachterbeile über dem Eingangstor hin, welche zu dieser Zeit das Zunftzeichen der Fleischer darstellten. Am 20.März des Jahres 1701 wurde der Sohn Johannes Samuel Fogtt geboren.Im Juli 1700 war das Haus fertiggestellt. Aus diesen Fakten ist ersichtlich das schon vor 306 Jahren Lebens- und Familienplanung kein Fremdwort war! Das Tor ist um 1960 erneuert worden. Die Ornamente des Originaltores sind auf das erneuerte Tor genagelt worden. Das alte originale Tor wurde als Fußbodendielung im hinteren Anbau des Hauses genutzt, was erst jetzt bei Aufräumarbeiten ans Tageslicht kam.


Begeben wir uns jetzt in das Haus. Wie auf den folgenden Bildern ersichtlich wird hat der Zahn der Zeit schon ziemlich stark an dem historischen

Haus genagt. Bei der ersten Hausbesichtigung im Juni 2005 boten sich dem neuen Besitzer diese Bilder. Das Haus wurde durch den Vorbesitzer

komplett "runtergewohnt". Den letzten Farbanstrich bekam das Haus anlässlich der 750-Jahrfeier im Jahre 1983. Im Haus wurde seit ca.1960 nichts mehr gemacht. Unter der Tordurchfahrt hat man "gewohnt". Die Durchfahrt zum Hof wurde einfach zugemauert.Unter der Treppe hat man eine kleine Toilette gebaut und der Raum wurde mit einem "Glutos"-Ofen aus DDR-Produktion beheizt!


Das folgende Bild zeigt nochmal die Durchfahrt aus einer anderen Perspektive. Durch die Tür links gelangt man in den eigentlichen Wohnbereich. Damals hatten die Wohnungen die klassische Aufteilung: zuerst die "Stube", dahinter kam die sogenannte Kammer zum schlafen und daneben befand sich die Küche.


Die zu DDR-Zeiten eingebaute Toilette ist mitllerweile abgerissen worden, auch die hintere Tordurchfahrt ist wieder offen. Dies war unbedingtnotwendig um den Hof von Unkraut, Schutt und Unrat zu befreien. Die unisolierte Toilette hat leider verheerende Spuren am Haus hinterlassen. Nach Entfernen des "stillen Örtchens" kamen diese Schäden an das Tageslicht, welche mit Sicherheit noch nicht die letzten sind. Auch Reste des alten Anstriches sind auf dem folgenden Foto erkennbar.


Diese "Hofansicht" bot sich im Juli 2005 durch die noch zugemauerte Durchfahrt. Die Natur begann das Gelände zurückzuerobern. Die Brennesseln hatten eine Höhe von über 2 Metern und das alte Kopfsteinpflaster auf dem Hof verbarg sich unter einer 30-40 cm dicken Schicht aus Schutt, Unrat und Humus. Das ganze mit einem Geflecht aus Quecken durchwachsen. Der hintere Schuppen am Ende des Hofes war nur mit Hilfe einer "Machete" erreichbar.


3 Arbeitswochen waren nötig um den Hof wieder begehbar zu machen. Bis Ende August 2005 wurden 34 Autoanhänger voll Schutt und Unrat auf die Entsorungsplätze gebracht, um den Hof wieder halbwegs ansehnlich herzurichten.


Im Haus befinden sich noch 4 Kachelöfen. Drei davon funktionieren noch tadellos. Denn damit keine Feuchtigkeit in das Haus zieht, werden in den Wintermonaten wöchentlich Erd- und Obergeschoss beheizt, um dem weiteren Verfall des Hauses entgegenzuwirken. Der älteste Ofen stammt aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.Auf dem unteren Bild sieht man die "Stube" im Untergeschoss. Die blauen Farbreste an den Wänden zeigen noch den Originalanstrich von 1700. Durch die rechte Tür gelangt man in die ehemalige "Kammer", welche durch eine Wand von der Küche abgetrennt war. In diesem Raum befand sich auch der "Dienstboteneingang"den man über den rechten "Brandgang" des Hauses erreichte. Durch die Tür im Hintergrund rechts gelangt man in das ehemalige Bad im Anbau des Hauses.


Hier sieht man des ehemalige Bad im Anbau, mit Kohlebadeofen, Kachelofenheizung und großer Badewanne.


Kammer und Küche im Obergeschoß. Rechts über der Tür ist der Originalanstrich aus dem Jahre 1700 ersichtlich. Damals wurden die Küchen in dunkelrot angestrichen. Der Raum war durch eine Wand getrennt, welche links vom Ofen verlief. Auch dieser Ofen aus den 20er/30er Jahren funktioniert immernoch tadellos.


Gehen wir nun auf den Dachboden des Hauses. An der Tür zum Dachboden befindet sich dieses Kastenschloß, welches wahrscheinlich genauso alt ist wie das Haus selbst und noch voll funktionsfähig ist.


Wenn man sich die Dachkonstruktion genau betrachtet, dann wird ersichtlich das das Dach mit nur 2 freistehenden Dachbindern zwischen den Giebeln erbaut wurde. Mehr Binder waren im Jahre 1700 nicht erforderlich, da das Dach urprünglich mit Schilf gedeckt war! Erst als man das Dach mit Dachziegeln versah wurden Hilfsdachbinder eingesetzt. Wenn man sich den Lehmputz genau ansieht dann sind noch die 306- jahrealtenKellenstriche, vom Abreiben des Lehmputztes deutlich zu erkennen. Die Wäsche des Vorbesitzers hängt noch auf der Leine und man könnte meinen das die Zeit in diesem Haus stehen geblieben ist.


Zum Schluß nochmal die Rückansicht des Hauses. Die Verkleidung aus Ebenasbest ist entfernt worden. Das Haus wartet nun auf seine denkmalgerechte Sanierung, die leider ohne Fördermittel nicht möglich sein wird. Wollen wir das Beste hoffen und alles daran setzen damit dieStadt ein Schmuckstück in ihrer Schatztruhe zurrückbekommt, denn wer kann schon von sich behaupten, den 70-Meter hohen und achteckigen Spitzhelm der Kirche miterlebt zu haben, älter als die "Wagner-Orgel" aus dem Jahre 1742 oder älter als die Dresdener Frauenkirche zu sein???.....Dieses Haus kann all dies von sich behaupten! Deshalb ist es als "stummer Zeitzeuge" einer längst vergangenen Epoche, in seinem originalen und ursprünglichen Zustand unbedingt für die Nachwelt zu erhalten, wie noch viele andere Häuser unserer kleinen, altehrwürdigen Stadt!!!

Mehr Beispiele dazu finden sich in der Rubrik: "Schätze in der Warteschleife"!!!

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